Di, 13.09.2016, 19 Uhr | MMA Mixed Munich Art, Katharina-von-Bora-Str. 8a, 80333 München | Hans Magnus Enzensberger: Der Untergang der Titanic - Eine literarisch-musikalische Endzeitrevue

13.09.2016 19:00
Der Untergang der Titanic. Eine literarisch-musikalische Endzeitrevue nach Hans Magnus Enzensberger ist eine Produktion von Zuflucht Kultur e. V. mit vier deutschen und zwei syrischen Darstellern. Sie ist am 13. September in einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Location zu erleben – dem MMA (Mixed Munich Arts), dem Heizkraftwerk des ehemaligen „Führerbaus“.
Hans Magnus Enzensberger wird an dem Abend selbst vor Ort sein.

Katharina-von-Bora-Straße 8a, 80333 München / Nähe Königsplatz
Eintritt: € 25,00. Kartenreservierung unter info@zufluchtkultur.de
Getränke und kleiner Imbiss am Buffet gegen gesonderte Zahlung.

Der Untergang der Titanic. Eine literarisch-musikalische Endzeitrevue nach Hans Magnus Enzensberger
Eine deutsch-syrische Koproduktion von Zuflucht Kultur e. V. 
Das Programm ist eine Weiterentwicklung der Inszenierung von Wolfram Apprich am Landestheater Schleswig-Holstein.

„Nie wieder, sagt er, wird es so ruhig sein, so trocken und warm wie jetzt.“
Hans Magnus Enzensberger analysiert in seinem 1978 erschienenen Versepos den Untergang der Titanic als den Untergang einer Utopie. Er nennt das eine Komödie. Komisch ist es durchaus. Aber auch morbide, qualvoll, infernalisch komisch nach der Art von Dantes Göttliche Komödie und wie diese in 33 Monologe gegliedert, die Enzensberger „Gesänge“ nennt. Er nimmt den Untergang der Titanic als Metapher für das Scheitern vieler großer menschlicher Bestrebungen, sozialer, politischer, technischer Art. Die Titanic ist für uns heute ein Mythos. Eine ganz große Geschichte. Ganz großes Kino. Die Katastrophe fasziniert. Wir finden das Romantische darin ebenso wie das Groteske. Das Tragische und das Absurde. Und dann ist da noch diese Hoffnung auf ein besseres Leben, mit der sich die Passagiere der dritten Klasse auf die Reise übers Wasser machen, und die an einem Eisberg aus Selbst- und Gewinnsucht zerschellt. Kommt uns das heute bekannt vor?

Vier Deutsche und zwei Syrer haben daraus einen Theater-, Performance- und Musik-Abend gemacht. Unter die Texte mischen sich Lieder und wahre Geschichten von Flucht und Havarie. 
Es sind drei merkwürdige Gestalten, die da zu Beginn von einem arabisch aussehenden Mann im Blaumann auf die Bühne geschoben werden. Sie ignorieren ihn konsequent. Niedere Charge. Unter ihrer Würde. Immer wieder bemühen sie sich, den Glanz der ersten Klasse zu behaupten. Sie versuchen, die Show am Laufen zu halten, und beharren auf dem Klassenunterschied. Sie singen America, the BeautifulAmazing GraceHush, little baby – alles um den Gedanken an ihren eigenen Untergang noch eine Weile von sich fern zu halten, während aus dem Unterdeck andere Figuren auftauchen: Arbeiter, Auswanderer, Aufrührer. Und dazwischen immer wieder ein Fremder, der seine eigene Geschichte erzählt, von seiner Flucht aus Syrien in einem überfüllten Boot voll betender Menschen. Die Katastrophe tritt ein, die Titanic sinkt. Und doch ist danach alles wie immer. Am Ende steht die Frage: Ist unser Traum von einer besseren, einer gerechteren, einer menschlicheren Welt im Atlantik untergegangen? Oder im Mittelmeer? An welche Planke können wir uns noch klammern?

Die Sängerin Cornelia Lanz, die Tänzerin und Schauspielerin Wiebke Wackermann, die Schauspieler Zaher Alchihabi und Johannes Fast, der Gitarrist und Sänger Mazen Mohsen und der Pianist Oliver Heise tauchen 3.821 Meter tief und bergen aus dem Wrack unserer Gesellschaft Geschichten von Ertrunkenen, von Überfressenen, von Schuldigen und Unschuldigen, von Überlebenden und Überlebtem.

Die Spielstätte für ihren Untergang der Titanic könnte atmosphärischer und symbolisch aufgeladener nicht sein: Das MMA (Mixed Munich Arts) ist ein ehemaliger Industriekomplex im Osten des Königsplatzes. Im Nationalsozialismus diente er als Heizkraftwerk für den „Führerbau“. Die zentrale Kesselhalle mit einer Grundfläche von 460 m² sowie einer Raumhöhe von 21 Metern ähnelt mit ihren seitlich in der Halle schwebenden Galerien einem riesigen Schiff. Die rohe Industrie-Architektur und der kathedralenartige Raum mit den ehemaligen Kohle-Hochbunkern erzeugen eine ganz eigene Energie, von der Veranstaltungen der Hoch- wie Subkultur gleichermaßen profitieren.

Das künstlerische Team

Der syrische Schauspieler Zaher Alchihabi studierte zunächst in seiner Heimatstadt Aleppo Wirtschaftswissenschaften, bevor er seiner Leidenschaft nachging und ein Schauspielstudium an der dortigen Staatlichen Schauspielschule absolvierte. Anschließend bewarb er sich mit seinem selbst produzierten Kurzfilm Selbstgespräch an der Europäischen Universität Damaskus für den Studiengang Filmregie und wurde als einer der besten drei Bewerber mit einem Stipendium angenommen. Nachdem seine Ausbildungsstätte 2014 durch den syrischen Bürgerkrieg zerstört wurde, floh er Anfang 2015 nach Europa und wurde dem Landkreis Biberach zugeteilt. Dort wirkte er als Schauspieler und Theaterpädagoge an der Zuflucht Kultur-Produktion von Mozarts ZAIDE. EINE FLUCHT. mit. Seitdem gehört er fest zum Team des produzierenden Vereins. Bei Idomeneo übernimmt er die Rolle des Arbace und führte zudem Regie bei der begleitenden Filmdokumentation. Zaher Alchihabi ist seit 2016 sowohl Stipendiat der Allianz Kulturstiftung als auch der Akademie Schloss Solitude.  
 
Mazen Mohsen wurde 1994 und in Sweida, Syrien, geboren. Dort arbeitete er nach einem zweijährigen Studium als Musikschullehrer für Gitarre, Akkordeon, Oud und Operngesang. Nach etwa einem Jahr entschloss er sich zu flüchten, da aufgrund des Krieges keine anderen Musikschullehrer mehr vor Ort waren. Seit August 2015 ist er in Deutschland und sucht nach Möglichkeiten, seine musikalische Arbeit fortzusetzen. Er möchte eine Aufnahmeprüfung für ein Studium in Operngesang machen. Mazen liebt Oper und mag es besonders, verschiedene Kulturen innerhalb einer Inszenierung zu mischen, wie in Idomeneo.                
 
Oliver Heise studierte Klavier (Musikhochschule Münster), Dirigieren (Musikhochschule Enschede/Niederlande) und Filmmusikkomposition (Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg). Er ist als Komponist, Arrangeur und Sounddesigner tätig und machte unter anderem Aufnahmen mit dem Royal Philharmonic Orchestra London, dem Czech Philharmonic Orchestra Prague und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg.
1999 wurde ihm im Rahmen der Internationalen Biennale für Film- und Medienmusik in Bonn durch Hans Zimmer der 1. Förderpreis der GEMA-Stiftung verliehen. Heise hat einen Lehrauftrag an der Hochschule der Medien Stuttgart für Filmmusik und setzt verschiedenste medienpädagogische Projekte mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen um. 
Mehr Informationen: www.oliver-heise.de

Wiebke Wackermann ist Schauspielerin und Tänzerin. Nach einer erfolgreichen achtjährigen Tanzkarriere bei John Neumeier in Hamburg und an den Opernhäusern in Leipzig und Düsseldorf hat sie sich weitergebildet und arbeitet seit 2008 als Schauspielerin sowohl in freien als auch festen Engagements. So war sie zuletzt unter anderem auf Kampnagel in Hamburg, am Thalia in der Gaußstraße, am Schauspielhaus Hamburg, in den Hamburger Kammerspielen und am St. Pauli Theater in Hamburg zu sehen. Erste eigenen Choreographien entwickelte sie für die Ballettwerkstatt des Hamburger Balletts und für das Schauspiel des Landestheaters Schleswig Holstein. Wiebke Wackermann ist auch als Sprecherin für Funk und Fernsehen aktiv. Zudem ist sie seit 2014 mehr und mehr im deutschen Fernsehen zu sehen.
 
Johannes Fast studierte zunächst Ethnologie, Anglistik und Skandinavistik in Hamburg. Anschließend absolvierte er eine Schauspielausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste. Während seines Studiums spielte er unter anderem am Schauspielhaus Zürich und am Theater Biel Solothurn. Nach seinem Abschluss 2011 arbeitete er drei Jahre lang als festes Ensemblemitglied am Landestheater Schleswig-Holstein. Seit 2014 arbeitet er als freier Schauspieler, Performer und Sprecher in Hamburg. Zuletzt führten ihn Gastengagements ans Theater der Altmark Stendal, ans Freie Theater Hannover und ans Cabaret Voltaire in Zürich, wo er mit der Performance-Gruppe Kursk arbeitete. Neben dem Schauspiel beschäftigt er sich mit der Erarbeitung von Inszenierungs-, Performance und Installationskonzepten sowie mit theaterpädagogischen Projekten. 
Mehr Informationen: www.johannesfast.com

Nach ihrem Gesangsstudium an der Musikhochschule Stuttgart und der Manhattan School of Music New York und dem Referendariat in Schulmusik entwickelte sich Cornelia Lanz (Mezzosopran) zu einer international gefragten Gesangssolistin. Sie arbeitete mit vielen bedeutenden Orchestern zusammen, darunter dem Kammerorchester der Münchner Philharmoniker, den Berliner Symphonikern, dem Zürcher Kammerorchester, das Hassler Consort oder L'Arpa festante, und mit Dirigenten wie Manfred Honeck, Werner Ehrhardt oder Franz Raml. Engagements führten sie an die Staatsoper Stuttgart, das Landestheater Schleswig-Holstein und das Theater Nordhausen. Außerdem inszeniert Cornelia Lanz immer wieder selbst, zum Beispiel Händels Alcina in New York, Imeneo in Dubai und Janáčeks Die Sache Makropulos in München. Beim Klassiklabel Animato sang sie die Titelrolle in Händels Oper Oreste ein. Im März 2016 erschien ihre Lied-Debüt-CD Carattere di Donne. Frauenrollen und Frauengestalten bei Schubert, Rossini und Verdi bei Hänssler, die sie zusammen mit dem Pianisten Stefan Laux einspielte.
Cornelia Lanz war Stipendiatin der Baden-Württemberg Stiftung und des Richard-Wagner-Verbandes. Sie erhielt den Bruno-Frey-Preis, den Förderpreis Kultur des Landkreises Biberach sowie den Zonta-Kultur Award 2015 und war Finalistin im Wiener Nico Dostal Gesangswettbewerb. 
Seit dem Sommer 2014 produziert, leitet, initiiert und singt Cornelia Lanz mit ihrem Verein Zuflucht Kultur e. V. und Flüchtlingen die medial stark beachteten Mozartopern Così fan tutte, ZAIDE.EINE FLUCHT sowie aktuell Idomeneo
Mehr Informationen: www.cornelia-lanz.com